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Was ist Gluten? Ein Problemprotein im Kreuzverhör

Was ist Gluten - Bäcker beim Brotbacken

Geschrieben von:

Martin Auerswald, M.Sc.

Medizinisch überprüft von:

Inhaltsüberblick

Zuletzt aktualisiert am 25. Juni 2019 um 12:23

Glutenfreie Ernährung hier, Zöliakie und Glutenunverträglichkeit da, Reizdarmsyndrom, Paleo Ernährung  – der Begriff Gluten tritt heute immer mehr auf. Und das, obwohl er vor zehn Jahren noch relativ unbekannt war. Aber was ist Gluten?

Erfahren Sie hier mehr über das wichtigste Protein im Getreide und die potenziell schädlichen Wirkungen auf den menschlichen Körper.

Was ist Gluten?

Was ist Gluten? Nun ja:

In erster Linie ist Gluten das wichtigste Speicherprotein im Getreidekorn. Also die Form, in der Protein gespeichert wird, um dem Keimling später als Proteinquelle beim Wachstum zu dienen.

In zweiter Linie ist Gluten ein Abwehrstoff. Getreidekörner sind die Kinder – die Eier, der Schatz – der Getreidepflanze. Sie will ihre Kinder natürlich um jeden Preis schützen, um ihr Überleben zu gewährleisten. Soll heißen, Fressfeinde sollen abgewehrt oder zumindest die Verdauung behindert werden, sodass das Getreidekorn halbwegs intakt hinten wieder ausgeschieden wird.

Gluten ist das Speicherprotein im Weizen und erfüllt genau diese Aufgaben. Proteinspeicher und Abwehrstoff. Jedes Getreide enthält ein glutenähnliches Protein, das diese Aufgaben erfüllt. Der Einfachheit halber nennen wir daher Gluten bezeichnend für alle Getreideproteine.

Das ist nicht ganz korrekt – aber zielführend. Oder würden Sie sich für jedes einzelne Getreide das Speicherprotein (Hordein in Gerste, Secalin in Roggen, Avenin in Hafer) merken wollen? Nein, oder? Deswegen verwenden wir Gluten verallgemeinernd für Speicherproteine in Getreide.

Das Problem bei Süßgräsern ist ihre geringe Höhe. Sie werden nur etwa einen Meter hoch. Die Körner sind sehr dicht an Energie und Nährstoffen und in etwa auf Kopfhöhe von vielen Pflanzenfressern und potenziellen Fressfeinden. Um die Überlebenschancen der Pflanze zu erhöhen und damit die Körner nicht ständig von Fressfeinden attackiert werden, hat sie sich daher etwas ausgedacht.

Gluten und der Überlebenswille von Getreide

Stellen Sie sich vor, Sie sind eine Getreidepflanze. Sie wollen sich fortpflanzen, also verhindern, dass Ihre Körner gegessen werden. Was tun Sie? In der Natur haben Pflanzen zwei Abwehrmechanismen, um sich so vor Fressfeinden zu schützen.

  1. Sie enthalten Giftstoffe. Das machen Tollkirschen oder Knollenblätterpilze. Sie enthalten Gifte, die den Fressfeind unschädlich machen und ihn so daran hindern, wiederzukommen. Kann man so machen – ist jedoch sehr radikal.
  2. Sie enthalten Stoffe, die den Fressfeind sabotieren. Die das Immunsystem und die Verdauung des Fressfeindes so stark sabotieren, dass das Korn unbeschädigt wieder ausgeschieden wird. Das hätte den Vorteil für Sie, dass das Korn an einer völlig neuen Stelle ausgeschieden wird und sich dort vermehren kann. Oder Sie schaden dem Fressfeind schleichend und chronisch, so dass der irgendwann von allein aufhört, von Ihnen zu naschen.

Auch in dem Fall wird der Fressfeind irgendwann aufhören, von den Körnern zu essen, da es ihm die Nachteile einfach nicht wert sind.

Getreide gehört zum zweiten Punkt. Getreide hat sich im Laufe von Jahrmillionen schwer verdaulich gemacht, bis nur noch wenige Tiere in der Lage waren, diese „Nuss“ knacken und verdauen zu können.

Auf lange Sicht jedoch schaden sie aufgrund ihrer Inhaltsstoffe, allen voran dem Gluten, unserer Verdauung. Denn Gluten und diese Stoffe sabotieren die Verdauung auf mehreren Ebenen.

Warum hat Gluten so einen schlechten Ruf?

Gluten ist doch eigentlich ein ganz normales Nahrungsprotein, oder? Proteine sind Aminosäuren und Aminosäuren sind ein wichtiger Baustoff für unseren Körper.

Jedoch sind nicht alle Proteine gleich. Es gibt nämlich auch toxische Proteine. Diese können bereits in sehr geringer Konzentration gefährlich für den Körper sein. Botox ist ein bekanntes. Bereits vier Millionstel Gramm Botox reichen, um einen ausgewachsenen Menschen zu töten. Protein ist also nicht gleich Protein.

Auch Gluten ist nicht einfach nur ein Protein. Das wird gerne missachtet. Denn Gluten ist ein bioaktives Protein, das also auch im Magen-Darm-Trakt noch aktive Wirkung zeigt. Im Speziellen ist Gluten ein sehr schwer verdauliches Protein, das zudem zusammen mit anderen Getreideinhaltsstoffen Verdauungsenzyme blockiert6. Im Magen-Darm-Trakt kann der Körper also nur wenige Nährstoffe aus dem Getreidekorn oder einem Getreideprodukt aufnehmen (Was ist Gluten? Ein Saboteur!).

Das ist alles Teil des Abwehrmechanismus von Getreide – und Gluten steht im Fokus. (Was ist Gluten? Ein Abwehrstoff!) Weiterhin erhöht Gluten die Konzentration eines Hormons namens Zonulin1-2. Zonulin lockert die Verbindung zwischen Darmzellen, um gelegentlich einzelne Krankheitserreger oder Proteine aus dem Darminnenraum in den Körper aufzunehmen.

Das Immunsystem braucht das, um immer über alles up-to-date zu sein, was sich gerade im Darm ereignet. Gluten führt nun zu einer massenhaften Ausschüttung von Zonulin, was einen löchrigen Darm, Leaky Gut Syndrom1-2 zur Folge haben kann.

Weitere schädliche Wirkungen von Gluten kreisen um Beschädigung der Darmzellen3 und Behinderung der Nährstoffaufnahme, Auslösen von allergischen Reaktionen, Begünstigung von Entzündungen5 im Körper und eine chronische Aktivierung des Immunsystems.

Dass Gluten aktuell so einen schlechten Ruf hat, ist also kein Wunder. Aber ist es gerade ein Trend oder warum ist Gluten erst seit wenigen Jahren im Fokus?

Ist glutenfrei nur ein Trend?

Der Mensch konsumiert Getreide bereits seit 10.000 Jahren. Warum warnen alle Gesundheitsapostel gerade jetzt vor der schädlichen Wirkungen von Gluten?

Das hat zwei Gründe:

Weizen ist das Getreide, von dem wir Deutschen mit Abstand am meisten essen. Jedoch gibt es Weizen in der freien Natur nicht. Weizen ist eine Kreuzung aus den Ur-Getreidesorten Emmer und Einkorn. Das Produkt aus dieser Fusion war Weizen.

Dieser wurde in den letzten 200 Jahren so stark gezüchtet, dass Weizen mittlerweile unnatürlich groß ist und unnatürlich viel Gluten und nur noch wenige Nährstoffe11 enthält. Er wurde immer mehr auf ein Maximum an Gluten gezüchtet4, um die Backeigenschaften zu verbessern. Das ist ein Problem! Es ist in den letzten Jahren im Getreide immer mehr Gluten geworden.

Der zweite Grund ist Sauerteig: Seit der Mensch Getreide im großen Stil anbaut, vergärt er Getreide zu Sauerteig und backt daraus Brot und Backwaren. Durch die mehrtägige Fermentation haben Mikroorganismen wie Hefe und Milchsäurebakterien die Möglichkeit, das Getreide für uns bekömmlicher zu machen8-10. Schadstoffe wie Gluten, Lektin und Enzyminhibitoren werden dabei überwiegend abgebaut und schaden unserem Körper nicht mehr.

Jedoch benötigt Sauerteig etwas, das wir seit der Industrialisierung nicht mehr haben: Zeit. Auch das Bäckerhandwerk ist mittlerweile so stark industrialisiert, dass alles nur noch mit Fertigmischungen ohne Fermentation und ohne Sauerteig vonstattengeht. Das Gluten ist also nicht nur mehr geworden in Getreideprodukten, sondern wird auch nicht mehr abgebaut. Diese volle Bandbreite an Gluten landet dann in Ihrem Körper und der Schaden nimmt seinen Lauf.

Glutenunverträglichkeit und Glutensensitivität, also eine empfindliche Reaktion auf Gluten, ist real12-14. Es ist messbar.

Was ist Gluten? Nun wissen Sie, wo es herkommt.

Fazit – Gluten ist ein Gesundheitsrisiko

Was ist Gluten?

Im heutigen Beitrag haben Sie erfahren, was Gluten ist und warum Gluten aktuell so einen schlechten Ruf hat.

Da Gluten so schädliche Wirkungen im Körper entfaltet und ein Problem der Industrialisierung darstellt, gibt es zwei Möglichkeiten, dem Gluten-Problem zu begegnen:

  • Meiden Sie Getreideprodukte aller Art, wenn sie nicht auf Sauerteig beruhen.
  • Meiden Sie alle Getreideprodukte, wenn Sie sich nicht sicher sind, ob es Sauerteig ist oder nicht.

[su_spoiler title=“Quellenverzeichnis“]

Bildquelle: (c) Depositphotos @beornbjorn

  1. Fasano, Alessio (2011): Zonulin and its regulation of intestinal barrier function: the biological door to inflammation, autoimmunity, and cancer. In: Physiological reviews 91 (1), S. 151–175. DOI: 10.1152/physrev.00003.2008.
  2. Lammers, Karen M.; Lu, Ruliang; Brownley, Julie; Lu, Bao; Gerard, Craig; Thomas, Karen et al. (2008): Gliadin induces an increase in intestinal permeability and zonulin release by binding to the chemokine receptor CXCR3. In: Gastroenterology 135 (1), 194-204.e3. DOI: 10.1053/j.gastro.2008.03.023.
  3. Doherty, M.; Barry, R. E. (1981): Gluten-induced mucosal changes in subjects without overt small-bowel disease. In: Lancet (London, England) 1 (8219), S. 517–520.
  4. Lorgeril, Michel de; Salen, Patricia (2014): Gluten and wheat intolerance today: are modern wheat strains involved? In: International journal of food sciences and nutrition 65 (5), S. 577–581. DOI: 10.3109/09637486.2014.886185.
  5. Karin de Punder and Leo Pruimboom (2013): „The Dietary Intake of Wheat and other Cereal Grains and Their Role in InflammationNutrients 2013, 5(3), 771-787; doi:3390/nu5030771
  6. Junker, Yvonne; Zeissig, Sebastian; Kim, Seong-Jun; Barisani, Donatella; Wieser, Herbert; Leffler, Daniel A. et al. (2012): Wheat amylase trypsin inhibitors drive intestinal inflammation via activation of toll-like receptor 4. In: The Journal of experimental medicine 209 (13), S. 2395–2408. DOI: 10.1084/jem.20102660.
  7. Cordain, L. (2005): „Origins and evolution of the Western diet: health implications for the 21st century“, Am J Clin NutrFebruary 2005 81 no. 2 341-354 PMID: 15699220
  8. Cizeikiene, Dalia; Juodeikiene, Grazina; Bartkiene, Elena; Damasius, Jonas; Paskevicius, Algimantas (2015): Phytase activity of lactic acid bacteria and their impact on the solubility of minerals from wholemeal wheat bread. In: International journal of food sciences and nutrition 66 (7), S. 736–742. DOI: 10.3109/09637486.2015.1088939.
  9. Di Cagno, Raffaella; Angelis, Maria de; Auricchio, Salvatore; Greco, Luigi; Clarke, Charmaine; Vincenzi, Massimo de et al. (2004): Sourdough bread made from wheat and nontoxic flours and started with selected lactobacilli is tolerated in celiac sprue patients. In: Applied and environmental microbiology 70 (2), S. 1088–1096.
  10. Raffaella Di Cagno, „Proteolysis by Sourdough Lactic Acid Bacteria: Effects on Wheat Flour Protein Fractions and Gliadin Peptides Involved in Human Cereal Intolerance“ doi:1128/AEM.68.2.623-633.2002Appl. Environ. Microbiol.February 2002vol. 68 no. 2623-633
  11. Fan, Ming-Sheng; Zhao, Fang-Jie; Fairweather-Tait, Susan J.; Poulton, Paul R.; Dunham, Sarah J.; McGrath, Steve P. (2008): Evidence of decreasing mineral density in wheat grain over the last 160 years. In: Journal of trace elements in medicine and biology : organ of the Society for Minerals and Trace Elements (GMS) 22 (4), S. 315–324. DOI: 10.1016/j.jtemb.2008.07.002.
  12. Sapone A, Bai JC, Ciacci C, et al. Spectrum of gluten-related disorders: consensus on new nomenclature and classification. BMC Medicine. 2012;10:13. doi:10.1186/1741-7015-10-13.
  13. Bernardo, D et al. “Is Gliadin Really Safe for Noncoeliac Individuals? Production of Interleukin 15 in Biopsy Culture from Noncoeliac Individuals Challenged with Gliadin Peptides.”Gut6 (2007): 889–890. PMC. Web. 29 Aug. 2016.
  14. Biesiekierski et al (2011): Gluten causes gastrointestinal symptoms in subjects without celiac disease: a double-blind randomized placebo-controlled trial. Am J Gastroenterol. 2011 Mar;106(3):508-14; quiz 515. doi: 10.1038/ajg.2010.487. Epub 2011 Jan 11.

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