Zuletzt aktualisiert am 24. November 2022 um 15:44
Frauen fordern weniger und leisten mehr
Die Studie von Wissenschaftlern der Harvard Business School ergab, dass weibliche Angestellte häufiger unter sogenanntem Zeitstress leiden. Dieser Begriff beschreibt das Gefühl, zu viel zu tun und zu wenig Zeit dafür zu haben. Frauen erleben diesen Zustand offensichtlich häufiger als Männer, weil sie weniger delegieren können.
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Stattdessen neigen sie dazu, den Bedürfnissen anderer Menschen Priorität einzuräumen. Sie stellen die Anforderungen im Job an die erste Stelle und bitten deshalb seltener als Männer um Fristverlängerungen, wenn sie eine Aufgabe unter Zeitdruck stellt. „Frauen bitten seltener um mehr Zeit für die Erledigung ihrer Aufgaben, weil sie stärker davon überzeugt sind, dass sie für diese Anfragen bestraft werden und sich mehr Sorgen machen, andere zu belasten“, heißt es in dem Bericht.
Und um das Ganze abzurunden: Berufstätige Mütter übernehmen auch häufiger Kinderbetreuungsaufgaben als berufstätige Väter. Das trägt zusätzlich dazu bei, dass diese Mütter sich überfordert fühlen. Die Forscher führten neun Studien mit insgesamt 5.700 Erwachsenen und Studenten zum Thema Stress am Arbeitsplatz durch und veröffentlichten ihre Ergebnisse jetzt in dem Wissenschaftsmagazin Proceedings of the National Academy of Sciences.
Frauen machen sich demnach immer noch Sorgen, dass sie nicht das gute Mädchen sind. Das führt dazu, dass sie viel zu oft Ja sagen. Statt Druck abzubauen, versuchen sie, die perfekte Frau zu sein.
Der Bericht ergab auch, dass Frauen – stärker als Männer – auf die Emotionen anderer eingehen. Das führt naturgemäß dazu, dass sie eher die Gefühle anderer als ihre eigenen berücksichtigen.
Das beinhaltet nicht nur Beziehungen zu Partnern, sondern auch zu Arbeitgebern. Ebenso wichtig sind für Frauen aber Karrierewünsche. Um keine Schwäche zu zeigen, bitten sie seltener um Hilfe als ihre männlichen Kollegen. Frauen tun sich offensichtlich schwer damit, eine Gehaltserhöhung oder Verlängerung der Ablieferungsfrist zu fordern.
Wissenschaftler vermuten, dass historische Gründe hier eine große Rolle spielen. Jahrzehntelang haben Frauen den Druck gespürt, 120 Prozent zu geben, um nicht schlechter dazustehen als ihre männlichen Kollegen. Tatsächlich scheinen sich Gehaltsforderungen und ähnliches über Jahrzehnte hinweg nachteilig auf die Karriere von Frauen ausgewirkt zu haben.
Sie schlagen vor, dass Unternehmen ihre angestellten Frauen auf eigene Initiative hin unterstützen. Besonders Mütter sollten nicht das Gefühl bekommen, um Hilfe bitten zu müssen.
Um diese geschlechtsspezifischen Unterschiede zusätzlich zu mildern, schlug die Studie vor, dass Arbeitsplätze mit klaren Protokollen ausgestattet werden. Gehaltserhöhungen und Verlängerungsanträge sollten über offizielle Kanäle implementiert werden können. Das würde die Frauen ermutigen, um Hilfe zu bitten, ohne eine mögliche Bestrafung zu fürchten.
Quelle:
Whillans AV, Yoon J, Turek A, Donnelly GE. Extension request avoidance predicts greater time stress among women. Proc Natl Acad Sci U S A. 2021 Nov 9;118(45):e2105622118. doi: 10.1073/pnas.2105622118. PMID: 34725153; PMCID: PMC8609293. (https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/34725153/)