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Wie überlisten Viren das bakterielle Immunsystem?

Geschrieben von:

Kornelia C. Rebel

Medizinisch überprüft von:

Saskia Bauhausen

Inhaltsüberblick

Zuletzt aktualisiert am 14. Dezember 2022 um 15:24

Fressen und gefressen werden auf der Zellebene

Als Menschen sind wir es gewohnt, unser Immunsystem als eine separate Einheit zu betrachten, die fast wie ein selbständiges Organ funktioniert. Es bekämpft Eindringlinge in den Körper oder greift im Fall von Autoimmunerkrankungen das eigene Körpergewebe an. Aber die wissenschaftliche Wahrheit ist weit komplizierter als unsere vereinfachte Sicht der Dinge.

Durchbrüche der letzten Jahre – einige resultierend aus Forschungsarbeiten im Labor von Prof. Rotem Sorek in der Abteilung für Molekulargenetik des Weizmann Institute of Science im israelischen Rehovot – haben gezeigt, dass selbst einzelne Bakterienzellen ihr eigenes autonomes, angeborenes Immunsystem besitzen. Dieses Immunsystem kann Eindringlinge identifizieren, aufspüren und schließlich vernichten. Doch das funktioniert nicht immer.

Mysteriöses Signalmolekül entdeckt

In einem soeben im Wissenschaftsmagazin Nature unter dem Titel „Viren hemmen TIR gcADPR-Signalisierung zur Überwindung der Bakterienabwehr“ veröffentlichten Artikel haben Sorek und ihr Team – zusammen mit Mitarbeitern der Harvard Medical School und des Dana-Farber Cancer Institute, beide in Boston – enthüllt, wie Viren das Immunsystem einer Zelle überwinden können. Bei diesem Prozess entdeckten sie die chemische Zusammensetzung eines mysteriösen Signalmoleküls, das eine entscheidende Rolle spielt.

Der Begriff Phagen bezeichnet die Arten von Viren, die sich von Bakterien ernähren. Entdeckt eine Bakterienzelle diese Art von Viren, richtet sie ihre Abwehrschilde auf. Phagen nutzen die Bakterien wie Parasiten: Sie injizieren ihre DNA in das Bakterium. Anschließend manipulieren sie die Zelle, sodass sie das Virus dutzende Male herstellt. Wird eine kritische Masse überschritten, durchbrechen die Nachkommen des Virus die Zellmembran und machen sich auf die Jagd nach anderen Bakterien in der Nähe. Das ausgelaugte Bakterium stirbt dabei.

Fressen und gefressen werden ist ein üblicher Prozess auf der Ebene der Zellen. Die Bakterien sind dabei nicht wehrlos und setzen ihr autonomes Immunsystem ein, um die Bedrohung durch Phagen abzuwenden.

Immunproteinsegment TIR schlägt Alarm

Frühere Forschungen in Soreks Labor zeigten, dass ein Immunproteinsegment namens TIR für die Identifizierung einer Phageninvasion verantwortlich ist. Sobald das Immunsystem der Bakterie ein Phagen entdeckt, produziert TIR ein mysteriöses Signalmolekül, das die Immunantwort auslöst. Das TIR-Segment wurde ursprünglich im Immunsystem von Pflanzen und Tieren entdeckt. Soreks Team von Wissenschaftlern konnte zeigen, dass dieser Mechanismus auch in Bakterien existiert. Dennoch blieb das mysteriöse Signalmolekül bisher unentdeckt.

Im Rahmen der neuen Studie fand das Team heraus, wie Phagen die TIR-Immunität überwinden können. Als sie eine Gruppe sehr ähnlicher Phagen untersuchten, stellten die Forscher zu ihrer Überraschung fest, dass die TIR-Immunität einige Phagen abwehren konnte, andere nicht. Bei der Untersuchung der siegreichen Phagen stellten die Wissenschaftler fest, dass sie ein spezielles Gen enthalten. Dieses Gen kodiert ein Protein, das die TIR-Immunität neutralisiert und es dem Phagen ermöglicht, die Oberhand zu gewinnen.

Kampf der Proteine auch im Menschen?

Als die Wissenschaftler das jetzt Tad1 genannte Protein der Phagen untersuchten, stellten sie fest, dass es das Signalmolekül unmittelbar nach seiner Produktion durch das TIR-Protein einfängt. „Es war, als würde das Protein das Molekül schnell verschlucken und das Immunsystem nicht einmal einen Blick darauf werfen“, so Prof. Sorek. „Diese Art von Immunumgehungsmechanismus wurde bei keinem bekannten Virus beobachtet.“

Signalmolekül mit Kristallografie bestimmt

Die Wissenschaftler kamen auf die Idee, das mysteriöse Signalmolekül im Inneren des Proteins Tad1 zu untersuchen. Sie dachten, es sei auf diese Weise möglich, zumindest die Struktur des Proteins zu erkennen. Zusammen mit den Harvard-Mitarbeitern Prof. Philip Kranzusch und Allen Lu konnte das Team die räumliche Struktur und chemische Zusammensetzung des Moleküls mittels Kristallografie bestimmen.

„Wir suchen seit einigen Jahren nach diesem mysteriösen Immunmolekül“, sagte Prof. Sorek bei der Vorstellung der Studie. „Ironischerweise hätten wir es ohne die Hilfe des Phagen nicht finden können. „Wir haben einen neuen Weg entdeckt, wie Viren Immunsysteme deaktivieren können, die auf Signalmoleküle angewiesen sind“, bemerkte sie. „Diese Immunsysteme sind nicht nur Bakterien vorbehalten – sie existieren in den Zellen von Pflanzen und Menschen.“

Bessere Verteidigung gegen Viren?

Das Verständnis der Phagen und deren Ausschalten des bakteriellen Immunsystems könnte Menschen helfen, sich besser gegen Viren zu verteidigen.

„Wir werden nicht überrascht sein, wenn Viren, die unseren Körper infizieren, genau denselben Mechanismus verwenden wie das Tad1, das wir in Phagen gefunden haben“, sagte Prof. Sorek. „Wenn dies der Fall ist, könnte dies direkte Folgen für unsere Fähigkeit haben, uns vor Viren zu schützen, die unser Immunsystem austricksen wollen.

Quelle:

Leavitt A, Yirmiya E, Amitai G, Lu A, Garb J, Herbst E, Morehouse BR, Hobbs SJ, Antine SP, Sun ZJ, Kranzusch PJ, Sorek R. Viruses inhibit TIR gcADPR signaling to overcome bacterial defense. Nature. 2022 Sep 29. doi: 10.1038/s41586-022-05375-9. Epub ahead of print. PMID: 36174646. (https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/36174646/)

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