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WHO-Verzehrempfehlung von Vitamin C zu niedrig

Geschrieben von:

Kornelia C. Rebel

Medizinisch überprüft von:

Dr. Barbara Müller

Inhaltsüberblick

Zuletzt aktualisiert am 24. November 2022 um 17:39

Ursprüngliches Vitamin-C-Experiment „schockierende Studie“

Die neue Studie wirft ein neues Licht auf die Aussagekraft von offiziellen Verzehrempfehlungen. Sie zeigt zudem, dass Analyse und Interpretation gewonnener Daten die Ergebnisse von Studien enorm beeinflussen. Die nach wie vor gültige Verzehrempfehlung der WHO bei Vitamin C beruht auf der sogenannten Sorby-Studie, die im Zweiten Weltkrieg durchgeführt wurde.

Das britische Sorby Research Institute in Sheffield führte damals Experimente mit Vitamin C durch. Das Ziel war, die Menge von Vitamin C zu bestimmen, die Skorbut vermeidet. In der damaligen Kriegszeit wollte man wissen, ob die täglichen Rationen für die Kriegsmarine ausreichen. Im sogenannten „Schiffswrack“-Experiment bekamen Freiwillige nur das, was die Marine in Rettungsbooten als Notproviant zur Verfügung stellte.

„Das Vitamin-C-Experiment ist eine schockierende Studie. Die Wissenschaftler senkten langfristig den Vitamin-C-Spiegel der Menschen und das führte zu lebensbedrohlichen Notfällen“, sagte Dr. Philippe Hujoel, Hauptautor einer neuen Studie zum Vitamin-C-Experiment in Sorby, Professor für Mundgesundheitswissenschaften an der Zahnmedizinschule der Universität von Washington.

Die aktuelle Studie wurde im Wissenschaftsmagazin American Journal of Clinical Nutrition veröffentlicht und befasst sich in erster Linie mit der Bedeutung von Vitamin C für die Narbenbildung.

Die ursprünglichen Ergebnisse der Sorby-Studie wurden später verwendet, um die Empfehlungen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) zu formulieren, wie viel Vitamin C für eine gute Gesundheit benötigt wird.

Für die aktuelle Studie analysierten die Wissenschaftler die Daten der Sorby-Experimente mit modernen Methoden der Statistik. Das führte zu einem erstaunlichen Ergebnis: Statt der immer noch von der WHO empfohlenen Tagesmenge von 45 mg benötigen Menschen mindestens 95 mg am Tag.

Die Autoren der ursprünglichen Studie kamen damals zu dem Schluss, dass lediglich 10 mg Vitamin C am Tag bereits ausreichen, um Skorbut zu vermeiden. Die Autoren der neuen Studie legen nahe, dass die WHO die Zahlen damals falsch interpretiert hat.

Eine bessere Analyse des Bedarfs an Vitamin C ist demnach von enormer Bedeutung für die Gesundheit. Die Wissenschaftler betonten in der neuen Studie, dass Vitamin C für die Produktion von Kollagen unerlässlich ist. Dieses sogenannte Strukturprotein stellt ein Drittel der gesamten Proteinmenge im menschlichen Körper. Es trägt zur Wundheilung und zum Aufbau von Narbengewebe ebenso bei wie zur Gesundheit des Herz-Kreislauf-Systems.

Die aktuelle Studie ergab auch, dass die Beseitigung eines Mangels an Vitamin C wesentlich länger dauert als bisher angenommen. Zudem erfordert er höhere Dosierungen. Die Forscher kamen zu dem Schluss, dass selbst die Einnahme von 90-mg-Dosen täglich über 6 Monate hinweg nicht ausreicht, um eine normale Wundheilung wiederherzustellen. Allerdings sei noch unklar, wie lange eine Vitamin-C-Supplementierung erforderlich sei.

Die Wissenschaftler wiesen in der aktuellen Studie auch darauf hin, dass die Daten der Sorby-Studie sorgfältig gesammelt wurden und weiterhin von Wert sind. Aber die Methodik der Studie spiegelt laut Dr. Hujoel in Hinblick auf Forschungsethik eine ganz andere Zeit wider. Die Sorby-Studie folgte den Fußstapfen ähnlicher Experimente. Sie hatten die zum Überleben erforderlichen Mindestmengen an Wasser, Weizen und Vitamin A ermittelt.

An der Vitamin-C-Studie nahmen 20 Teilnehmer teil, die im Zweiten Weltkrieg Kriegsdienstverweigerer waren. Jeder Teilnehmer erhielt während der Erschöpfungsperiode täglich entweder 0 mg, 10 mg oder 70 mg. Um die Auswirkungen der Erschöpfung zu testen, verwundeten die Forscher die Teilnehmer experimentell und bewerteten ihre Heilung und insbesondere die Narbenbildung als Beweis für die Fähigkeit, Kollagen als Reaktion auf einen Mangel an Vitamin C zu produzieren.

Zudem war die Teilnehmerzahl der Sorby-Studie nicht nur klein, sondern auch durch eine ungleichmäßige Geschlechterverteilung von 19 Männern und einer Frau gekennzeichnet.

Die neue Studie warnt: „Es wird der Schluss gezogen, dass das Versäumnis, die Daten einer bahnbrechenden Studie mit modernen statistischen Methoden neu zu bewerten, sobald sie verfügbar wurden, zu einer irreführenden Darstellung des Vitamin-C-Bedarfs zur Prävention und Behandlung von kollagenbezogenen Pathologien geführt haben könnte.“

Die Ergebnisse der aktuellen Vitamin-C-Studie legen nahe, dass andere Empfehlungen ebenfalls von einer modernen Neubewertung profitieren könnten. Als Beispiel wurde Vitamin D genannt.

Quelle:

Philippe P Hujoel, Margaux L A Hujoel, Vitamin C and scar strength: analysis of a historical trial and implications for collagen-related pathologies, The American Journal of Clinical Nutrition, 2021;, nqab262, (https://doi.org/10.1093/ajcn/nqab262)

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