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Tarantulagift für neue Schmerzmittel?

6 Minuten

Geschrieben von:

Kornelia C. Rebel

Medizinisch überprüft von:

Dr. Barbara Müller

Inhaltsüberblick

Zuletzt aktualisiert am 24. November 2022 um 15:09

Wirkung auf zahlreiche Ionenkanäle

Die Königspavianspinne, eine Art von Vogelspinne, ist in Tansania und Kenia beheimatet. Ihr Biss kann beim Menschen tagelang qualvolle Schmerzen, Schwellungen und Muskelkrämpfe verursachen.

Vor diesem Hintergrund mag es ironisch erscheinen, dass eine neue Studie darauf hindeutet, dass diese Spinne eines Tages neue Arten von Schmerzmitteln inspirieren könnte. Australische Forscher veröffentlichten ihre Studie über das Spinnengift jetzt im Wissenschaftsmagazin Proceedings of the National Academy of Sciences

Ihrer Ansicht nach kann das Gift der Vogelspinne helfen, die Geheimnisse chronischer Schmerzen zu erklären, die Patienten und auch Wissenschaftler seit Jahren plagen.

Spinnenbisse sind praktisch gleichbedeutend mit Schmerzen. „Eines der Kennzeichen von Spinnenbissen ist das Schmerzempfinden“, sagte Rocio Finol-Urdaneta, eine Co-Autorin der Studie, die am Illawarra Health and Medical Research Institute in Australien forscht. Wenn Patienten mit Spinnenbissen zum Arzt gehen, „ist die erste Frage, ob es weh tut oder nicht, denn das ist das Kriterium.“

Das Studium von Spinnenbissen kann Wissenschaftlern helfen, zu verstehen, wie Schmerz funktioniert. Das Gift der Vogelspinne scheint von der Natur fein abgestimmt zu sein, um sich gegen Raubtiere zu verteidigen und Beute außer Gefecht zu setzen.

Forscher finden oft neue und überraschende Verwendungen für diese natürlichen Toxine. Beispielsweise wird Schlangengift seit langem zur Herstellung von Gegengiften verwendet.

Weil viele Aspekte des Schmerzempfindens für Wissenschaftler immer noch rätselhaft sind, können sie viel von einem Spinnengift lernen. Die Natur hat diese Gifte entwickelt, um möglichst viel Schmerz zu verursachen. Mediziner bezeichnen Schmerz häufig als den großen Schadensalarm des Körpers, der bereits vor Jahrmillionen entwickelt wurde. Er ist tief im menschlichen Körper verankert, denn ohne Schmerzen würden die meisten Menschen nicht lange leben.

Das Gesamtbild des Schmerzes ist einfach genug: Unser Körper ist mit Nervenzellen bedeckt, die als sensorische Rezeptorneuronen bekannt sind und durch Reize wie Temperatur, Druck oder Chemikalien entweder erregt oder gehemmt werden.

Einige dieser Neuronen sind Schmerzreaktionsneuronen, die Warnungen durch unsere Nerven an das Gehirn senden, wenn etwas nicht stimmt. Das Gehirn wandelt dieses Signal dann in ein Schmerzgefühl um.

Wenn die sensorischen Neuronen normal funktionieren, feuern und entspannen sie sich innerhalb von Millisekunden, um alle möglichen Empfindungen zu erzeugen.

Aber manchmal bricht dieses Gleichgewicht zusammen und die Schmerzneuronen feuern, aber sie entspannen sich nicht. Das Alarmsystem des Körpers versagt und verursacht chronische Schmerzen. Das Gift der Königspavianspinne ist besonders gut darin, die elektrischen Prozesse zu verwirren, die unseren Neuronen sagen, ob sie feuern oder sich entspannen sollen.

Woher wissen Schmerzneuronen also, wann sie sich aufregen oder entspannen müssen? Jede dieser Nervenzellen ist von Millionen kleiner Türen umgeben, die speziell für geladene Teilchen wie Natrium-, Kalium- und Kalziumionen hergestellt wurden. Sie können in das Neuron hinein- und hinausströmen. Natriumionen zum Beispiel erregen Neuronen, Kaliumionen beruhigen sie.

Hier ist das Problem mit dem Gift der Königspavianspinne: Es enthält ein Peptid namens Pm1a, das die Türen (auch Kanäle genannt) für Natriumionen öffnet und gleichzeitig Kaliumionenkanäle schließt. Durch die offenen Natriumtüren marschieren immer wieder Natriumionen in die Nervenzellen hinein. Die Ausgangstüren für die Kaliumionen werden durch dieses Peptid jedoch von außen zugehalten, damit sich das Neuron nicht wieder beruhigen kann.

Gebissene Menschen empfinden diesen Mechanismus als extrem starke Schmerzen. Viele moderne Schmerzmittel wirken, indem sie einfach einige Ionenkanäle blockieren. Dadurch können sie einen kalten, unaufgeregten Zustand des Neurons aufrechterhalten.

Aber nach einer Weile können die Rezeptoren der Neuronen auf diese Medikamente nicht mehr ansprechen. Ärzte reagieren darauf häufig mit dem Verschreiben von höheren Dosierungen. Das ist einer der Gründe, warum Opioide – die stärkste Form von Schmerzmitteln, die wir heute haben – eine Sucht verursachen und mit der Zeit ihre Wirksamkeit verlieren können.

Der Vorteil der Verwendung von aus Spinnen gewonnenen Giftpeptiden besteht nach Auskunft von Wissenschaftlern darin, dass diese Peptide keine Dosisabhängigkeit und Sucht verursachen. Sie verlassen sich nicht auf die Rezeptoren, an denen sich Oxycodon oder Morphin festsetzen würden. Gleichzeitig können sie präziser wirken als Opioide. Ein weiterer Vorteil ist, dass sie weniger unerwünschte Nebenwirkungen verursachen.

Während einige Peptide im Spinnengift sehr gut Schmerzen verursachen können, enthalten andere Gifte Peptide, die Schmerzen tatsächlich verhindern. In der Vergangenheit haben Studien nach Peptiden im Gift gesucht, die gezielt auf einen bestimmten Kanal einwirken, der oft mit chronischen Schmerzen in Verbindung gebracht wird. „Wir sind auf diesem Gebiet irgendwie von Selektivität besessen“, sagte Studienautorin Finol-Urdaneta.

Die Funde rund um die Königspavianspinne scheinen darauf hinzudeuten, dass ein alternativer Ansatz möglich ist. Das Gift der Vogelspinne ist nicht selektiv; es wirkt auf viele Ionenkanäle gleichzeitig ein. Finol-Urdaneta und ihre Kollegen, die an der University of Queensland und dem Victor Chang Cardiac Research Institute arbeiten, nennen das Peptid deshalb promiskuitiv, weil es verschiedene Kanäle beeinflussen kann. Dies bedeutet auch: Es ist unwahrscheinlich, dass ein einzelnes Neuron desensibilisiert wird.

Das Spinnengift könnte dazu dienen, ein schmerzlinderndes Peptid zu entwickeln, das promiskuitiv Natriumkanäle blockiert und Kaliumkanäle öffnet. Dieses Schmerzmittel würde ganz anders wirken als die bekannten Medikamente.

Anstatt sich selektiv auf eine Handvoll Ionenkanäle zu konzentrieren, könnte ein derartiges Schmerzmittel auf mehrere Teile des Schmerzwahrnehmungssystems abzielen.

Diese Art von potenziellen Schmerzbehandlungen ist zur Zeit jedoch noch Zukunftsmusik. Nachdem Finol-Urdaneta und ihr Team nun festgestellt haben, was das Peptid bewirkt, besteht der nächste Schritt darin, zu untersuchen, wie es auf molekularer Ebene funktioniert. Im weiteren Verlauf der Forschung kann untersucht werden, ob der Prozess rückentwickelt werden kann, um Schmerzen zu lindern, anstatt Schmerzen zu verursachen.

„Das ist leichter gesagt als getan“, sagte Finol-Urdaneta. „Die Natur übt das seit Millionen von Jahren.“

Quelle:

Finol-Urdaneta RK, Ziegman R, Dekan Z, McArthur JR, Heitmann S, Luna-Ramirez K, Tae HS, Mueller A, Starobova H, Chin YK, Wingerd JS, Undheim EAB, Cristofori-Armstrong B, Hill AP, Herzig V, King GF, Vetter I, Rash LD, Adams DJ, Alewood PF. Multitarget nociceptor sensitization by a promiscuous peptide from the venom of the King Baboon spider. Proc Natl Acad Sci U S A. 2022 Feb 1;119(5):e2110932119. doi: 10.1073/pnas.2110932119. PMID: 35074873. (https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/35074873/)

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