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Übergewicht beeinflusst am stärksten weißes Fett

Geschrieben von:

Kornelia C. Rebel

Medizinisch überprüft von:

Saskia Bauhausen

Inhaltsüberblick

Zuletzt aktualisiert am 26. Januar 2023 um 16:57

Umkehrpunkt, an dem Fettgewebe metabolische Plastizität verliert

Wenn der Körper einer kalorienreichen Ernährung ausgesetzt wird, ist die physiologische Reaktion nicht homogen und einige Organe oder Gewebe reagieren empfindlicher auf metabolischen Stress. Unter diesen Bedingungen ist das weiße Fettgewebe der Bauchhöhle das anfälligste Organ für Stoffwechselveränderungen im Zusammenhang mit Fettleibigkeit, so eine neue Studie, die in der Zeitschrift Redox Biology veröffentlicht wurde.

Diese Anfälligkeit für metabolischen Stress stellten die spanischen Wissenschaftler unter der Leitung von Professor Pablo M. Garcia-Roves von der Fakultät für Biowissenschaften Medizin und Gesundheitswissenschaften an der Universität Barcelona bei fettleibigen Tieren fest. Außerdem wirkten, unter anderen, Forscher des Bellvitge Biomedical Research Institute (IDIBELL) und des Biomedical Research Networking Center for Physiopathology of Obesity and Nutrition (CIBEROBN) an der Studie mit.

Weißes Fettgewebe erholt sich nicht mehr

Wenn die Tiere durch weniger Futter abnehmen und sich ihr Stoffwechsel dadurch normalisiert, schwächelt das weiße Fettgewebe im Bauch weiter. Weißes Fett kann zahlreiche Botenstoffe produzieren, die das Gleichgewicht des Stoffwechsels stören. Diese Studie zeigt zunächst bei Tiermodellen, dass es einen Grenzwert gibt: Physiologischer Stress kann eine Schwelle erreichen, von der es kein Zurück mehr gibt, ein sogenannter Point of no Return. An diesem Punkt verliert das weiße Fettgewebe seine Reaktionsfähigkeit und metabolische Plastizität.

Starkes Übergewicht wird in der Gesellschaft stigmatisiert. Darüber hinaus verursacht Fettleibigkeit starke negative Veränderungen in der Physiologie und im Stoffwechsel. Viele der Veränderungen könnten als bloße physiologische Anpassungen an den Stress einer übermäßigen Kalorienaufnahme angesehen werden, so die Forscher.

Wo liegen die adaptiven Grenzen?

Aber wann wird diese übermäßige Aufnahme von Kalorien chronisch? Was ist die Grenze für den Körper? „Es ist keine leichte Aufgabe, diese Grenzen zu definieren und dies ist eine der größten Herausforderungen bei Studien über Fettleibigkeit und Biologie im Allgemeinen“, stellen die Forscher Pablo M. Garcia-Roves und Pau Gama-Pérez bei der Vorstellung der Studie fest. Das Überschreiten dieser adaptiven Grenzen kann der Auslöser für all jene mit Fettleibigkeit verbundenen Komorbiditäten sein, die von großer Bedeutung für die öffentliche Gesundheit sind.

Eine der Hauptfunktionen des Fettgewebes besteht darin, Fett zu speichern und überschüssige Kalorien zu regulieren. „Wenn dieses Fett in anderen Organen gespeichert würde, wären die Folgen für die Gesundheit weitaus kontraproduktiver. Die Zellen im Fettgewebe werden größer, vermehren sich und kommunizieren miteinander, um die Belastungen zu melden, denen sie ausgesetzt sind“, so die Forscher.

Mitochondrien funktionieren nicht mehr richtig

Sauerstoffmangel und Entzündungen sind demnach unverzichtbare Signale für die Zellen, um koordiniert zu agieren, überschüssiges Fett einzulagern und dem Gehirn mitzuteilen, dass die Energiereserven aufgebraucht sind.

Wenn diese Signale durch Überbeanspruchung unwirksam werden und der Kalorienüberschuss chronisch wird, können Stoffwechselprobleme auftreten. Dann funktionieren viele Elemente auf der Zellebene nicht mehr richtig.   Mitochondrien – die zellulären Organellen für die Erzeugung der Stoffwechselenergie Adenosintriphosphat – sind ein Schlüsselelement zum Verständnis dieses physiologischen „Point of no Return“, betonen die Autoren.

„Viele Veränderungen in der Genexpression und Proteinsynthese im Fettgewebe fettleibiger Tiere hatten einen Zusammenhang mit der mitochondrialen Funktion. In unserer Studie fanden wir heraus, dass mehrere Aspekte der Morphologie und Struktur der mitochondrialen Innenmembran nicht optimal waren und ernsthafte funktionelle Auswirkungen haben könnten“, sagt Garcia-Roves. Einer der bedeutendsten Befunde der Studie ist der sehr ausgeprägte Verlust des eigenen genetischen Materials der Organelle, der als mitochondriale DNA bekannt ist.

Schneeballeffekt bei Stoffwechselstörungen

Die Rolle der Mitochondrien bei Stoffwechselstörungen, die Adipositas im Fettgewebe hervorruft, wurde bereits in der wissenschaftlichen Literatur beschrieben. Die neue Studie zeigt jedoch erstmals, dass die pathophysiologische Prägungen durch Adipositas bestehen bleiben – und mit der Zeit sogar noch ausgeprägter werden können – obwohl der Stoffwechsel der Tiere sich ebenso erholt hat wie andere biologische Prozesse.

Dieser physiologische Schaden könnte als Schneeballphänomen definiert werden, so die Forscher, das durch den Stress eines chronischen Kalorienüberschusses auf das Fettgewebe ausgelöst wird. Diese physiologische Dysfunktion könnte in geringerem Maße auch Peroxisomen – die am Substratstoffwechsel beteiligten Zellorganellen – und die Eliminierung reaktiver Sauerstoffspezies betreffen.

Diese Veränderungen bleiben im Laufe der Zeit bei den Tieren vorhanden, auch wenn der metabolische Stress durch die allzu große Kalorienaufnahme verschwunden ist. Darüber hinaus gehen die Funktionsstörungen auf andere zelluläre Komponenten über und beeinflussen neue biologische Prozesse. Dazu zählen der Transport von Proteinen in die Mitochondrien, deren Zusammenbau oder nachfolgenden Abbau.

Schadhafte Mitochondrien bleiben aktiv

Unbekannt bleibt, warum der Stoffwechsel diese schlecht funktionierenden Mitochondrien nicht eliminiert. Damit könnte die Kaskade schädlicher Wirkungen auf die Zelle vermieden werden.

„Der Abbau von Abfallprodukten – Metaboliten, Proteinen und sogar ganzen Organellen – die nicht mehr funktionsfähig sind, um größere Probleme zu vermeiden, ist eine große Herausforderung für die zelluläre Maschinerie. Das Verständnis der Rolle der zellulären Recyclingmaschinerie ist entscheidend für das Verständnis von Gesundheit und um potenzielle therapeutische Angriffspunkte für metabolische Pathologien zu bestimmen. Unsere Ergebnisse zeigen deutliche Hinweise auf Fehler in diesem Aspekt, was uns helfen würde, diesen Verlust an metabolischer Plastizität zu verstehen“, sagte Pau Gama-Pérez.

Alterung, Stoffwechsel und Fettleibigkeit

Das Alter ist ein entscheidender Faktor für das Verständnis der Reaktion des Körpers auf eine hyperkalorische Ernährung. Die neue Studie wurde an jungen Tieren durchgeführt. Sie bekräftigt die Hypothese, dass eine übermäßige Kalorienaufnahme den Verlust der metabolischen Plastizität beschleunigt und das Fettgewebe vorzeitig altern lässt. Viele der bei fettleibigen Tieren beschriebenen Zustände reproduzieren Anzeichen von Altersprozessen.

Dieser physiologische Fingerabdruck wurde im viszeralen Fett der Bauchhöhle beschrieben. Ob er sich so auch im Fettgewebe unter der Haut, dem subkutanen Fettkompartiment, abspielt, ist noch unbekannt. Wichtig wäre jetzt herauszufinden, ob diese Kaskade schädlicher Wirkungen auf der Zellebene anhält, wenn Menschen abnehmen und ihr Übergewicht verlieren. „Das wäre ein wichtiger Fortschritt für das Verständnis der Folgen und vor allem für die Entwicklung therapeutischer Strategien“, sagen die Experten.

In jedem Fall sei es wichtig, belastbare Studien zu konzipieren, die diese Frage bei adipösen Patienten so genau wie möglich beantworten können, um ihre Gesundheit und Lebensqualität zu verbessern.

Quelle:

Gonzalez-Franquesa A, Gama-Perez P, Kulis M, Szczepanowska K, Dahdah N, Moreno-Gomez S, Latorre-Pellicer A, Fernández-Ruiz R, Aguilar-Mogas A, Hoffman A, Monelli E, Samino S, Miró-Blanch J, Oemer G, Duran X, Sanchez-Rebordelo E, Schneeberger M, Obach M, Montane J, Castellano G, Chapaprieta V, Sun W, Navarro L, Prieto I, Castaño C, Novials A, Gomis R, Monsalve M, Claret M, Graupera M, Soria G, Wolfrum C, Vendrell J, Fernández-Veledo S, Enríquez JA, Carracedo A, Perales JC, Nogueiras R, Herrero L, Trifunovic A, Keller MA, Yanes O, Sales-Pardo M, Guimerà R, Blüher M, Martín-Subero JI, Garcia-Roves PM. Remission of obesity and insulin resistance is not sufficient to restore mitochondrial homeostasis in visceral adipose tissue. Redox Biol. 2022 Aug;54:102353. doi: 10.1016/j.redox.2022.102353. Epub 2022 Jun 24. PMID: 35777200; PMCID: PMC9287736. (https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/35777200/)

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